
Täglich eine Stunde Urlaub
Zählen Sie auch zu den Menschen, die sich auf Freitag freuen, weil dann endlich das Wochenende beginnt? Vielleicht sogar schon ab Mittwoch innerlich den Countdown starten? Dann sind Sie nicht allein. Für viele ist das Wochenende der einzige Zeitraum, in dem sie wirklich durchatmen können. Die Tage dazwischen – Montag bis Freitag – sind oft geprägt von Terminen, Verpflichtungen und dem Gefühl, funktionieren zu müssen.
Doch was wäre, wenn wir den Gedanken von „Urlaub“ neu denken? Nicht als Ausnahmezustand, sondern als festen Bestandteil unseres Alltags?
Eine Freundin von mir sagte einmal: „Warum nur drei Wochen im Jahr Urlaub machen, wenn wir jeden Tag eine Stunde Urlaub haben können?“ Dieser Satz hat mich nicht mehr losgelassen. Denn er stellt eine einfache, aber tiefgreifende Frage: Warum gönnen wir uns Erholung nur in seltenen Dosen, obwohl wir sie täglich brauchen?
Was bedeutet eigentlich Urlaub?
Urlaub ist mehr als Reisen, Strand oder Hotelbuffet. Urlaub bedeutet: Abstand vom Alltag, Zeit für sich selbst, Entspannung, Freiheit. Es ist der Moment, in dem wir nicht reagieren müssen, sondern einfach nur sein dürfen. Und genau das fehlt uns oft im täglichen Leben.
Studien zeigen, dass regelmäßige Pausen nicht nur unser Wohlbefinden steigern, sondern auch unsere Produktivität erhöhen. Wer sich bewusst Zeit für sich nimmt, ist konzentrierter, ausgeglichener und langfristig gesünder. Trotzdem gönnen sich viele Menschen diese Auszeiten nur selten – und wenn, dann mit schlechtem Gewissen.
Warum wir Pausen unterschätzen
In unserer Leistungsgesellschaft gilt „viel beschäftigt“ oft als Statussymbol. Wer viel arbeitet, ist wichtig. Wer wenig arbeitet, muss sich rechtfertigen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Menschen, die sich regelmäßig Pausen gönnen, treffen bessere Entscheidungen, sind kreativer und emotional stabiler.
Psychologen sprechen vom sogenannten „Mikro-Urlaub“ – kleine Auszeiten im Alltag, die wie Mini-Reisen für unser Gehirn wirken. Schon 10 bis 15 Minuten bewusstes Abschalten können Stress reduzieren und neue Energie schenken. Eine Stunde am Tag? Das ist kein Luxus, sondern eine Investition in unsere Lebensqualität*.
Pausen gehören zum Leben dazu – nicht nur psychologisch, sondern auch biologisch. Selbst unser Herz macht nach jedem Schlag eine winzige Pause, bevor es erneut pumpt. Muskeln können nur wachsen, wenn sie nach Belastung Zeit zur Regeneration bekommen. Die Natur selbst lebt im Rhythmus von Aktivität und Ruhe. Warum also glauben wir, dass wir als Menschen dauerhaft im „On-Modus“ funktionieren können?
Wie kann eine Stunde Urlaub aussehen?
Urlaub im Alltag muss nicht spektakulär sein. Es geht nicht darum, jeden Tag ein Wellnessprogramm zu absolvieren. Es geht darum, sich bewusst eine Zeit zu schaffen, in der man nichts muss – und alles darf.
Hier ein paar Ideen:
- Ein Spaziergang ohne Handy, nur mit sich selbst
- Ein gutes Buch auf dem Balkon oder im Café
- Musik hören und einfach nur träumen
- Ein warmes Bad mit Kerzenlicht
- Malen, schreiben, gärtnern – ohne Ziel, nur zum Genießen
- Eine Tasse Tee und aus dem Fenster schauen
Wichtig ist: Diese Stunde gehört Ihnen. Kein Multitasking, keine To-do-Liste, keine Rechtfertigung. Einfach nur Sie und das, was Ihnen guttut.
Und je öfter Sie sich diese Stunde gönnen, desto leichter wird es. Denn Pausen können zur Gewohnheit werden – und zwar zur positiven. Wie das tägliche Zähneputzen oder der Kaffee (oder Tee) am Morgen. Wenn wir Erholung nicht als Ausnahme, sondern als festen Bestandteil unseres Tages etablieren, verändert sich unser Lebensgefühl nachhaltig.
Was hält uns davon ab?
Viele sagen: „Ich habe keine Zeit.“ Doch oft ist es nicht die Zeit, sondern die Priorität. Wir planen Meetings, Einkäufe, Sport – aber nicht unsere Erholung. Dabei ist gerade sie die Grundlage für alles andere.
Andere haben das Gefühl, sich diese Stunde nicht „verdient“ zu haben. Als müsste man erst genug leisten, um sich eine Pause zu erlauben. Doch das ist ein Denkfehler. Pausen sind kein Belohnungssystem, sondern ein Grundrecht.
Ein neuer Blick auf den Alltag
Stellen Sie sich vor, Sie würden jeden Tag eine Stunde Urlaub machen. Nicht als Ausnahme, sondern als Gewohnheit. Was würde sich verändern?
Vielleicht wären Sie gelassener im Umgang mit Stress. Vielleicht würden Sie klarer sehen, was Ihnen wirklich wichtig ist. Vielleicht würden Sie sich selbst wieder besser spüren – jenseits von Funktion und Pflicht.
Diese Stunde ist kein Rückzug, sondern eine Rückkehr. Zu sich selbst, zu dem, was Sie nährt und stärkt. Und vielleicht ist sie der Anfang von etwas Größerem: einem Leben, das nicht nur auf das Wochenende wartet, sondern jeden Tag lebenswert ist.
Fazit: Urlaub beginnt im Kopf
Wir müssen nicht auf den Sommer warten, um uns zu erholen. Wir müssen auch nicht weit reisen. Alles, was wir brauchen, ist die Entscheidung, uns selbst wichtig zu nehmen – jeden Tag, für eine Stunde.
Denn wie meine Freundin sagte: „Warum nur drei Wochen im Jahr Urlaub machen, wenn wir jeden Tag eine Stunde Urlaub haben können?“ Vielleicht ist genau das der Schlüssel zu einem erfüllteren Leben.
*Quelle: Prof. Dr. Volker Busch, Neurowissenschaftler und Psychiater, beschreibt Mikro-Urlaube als mentale Kurzfluchten, die unser Gehirn entlasten und neu fokussieren.
siehe auch: Gewohnheiten und Wie lerne ich ‚Nein‘ zu sagen?
Foto: Edurne Tx von Unsplash